Ein Engel ohne Flügel

Eine wahre Geschichte über Hoffnung, Dankbarkeit und das Leben mit einem seltenen Gendefekt.

Unsere Geschichte begann am 4. Dezember 2023 – mit der Geburt unserer kleinen Ida. Schon der Start ins Leben war für sie schwer. Ida musste per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden, und noch im Kreißsaal nahm das Schicksal seinen Lauf: Sie atmete nicht ausreichend selbstständig und musste künstlich beatmet werden. Statt in die Arme ihrer Mutter kam sie direkt auf die Kinder-Intensivstation des Universitätsklinikums Aachen. Bei den ersten Untersuchungen zeigte sich schnell, dass etwas nicht stimmte. Die Ärzte stellten vier Löcher im Herzen fest, dazu eine Doppelnieren-Anlage, einen Wasserkopf und Veränderungen an den Kapillaren ihrer Haut. Doch was das alles wirklich bedeutete, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. Für uns als Eltern war es der schwerste Moment: ein Kind zur Welt gebracht zu haben, das man nicht einmal eine Sekunde im Arm halten durfte – und dann die Nachricht zu bekommen, dass es auf der Intensivstation um sein Leben kämpft. Die ersten vier bis fünf Tage waren eine Zerreißprobe für uns als Familie. Zwischen der Uniklinik und zuhause, wo Idas große Schwester Lia sehnsüchtig wartete – auf Antworten, auf ihre kleine Schwester, auf ihre Mutter. Nach vier Tagen durfte Vanessa die Klinik verlassen, Ida jedoch musste bleiben. Sie allein auf der Intensivstation zurückzulassen, war ein Gefühl, das man keinem Menschen auf dieser Welt wünscht. Die behandelnden Ärzte erklärten uns bald, dass sie einen Verdacht hätten und einen umfangreichen Gentest durchführen wollten. Vierzehn Tage würde es dauern, bis die Ergebnisse vorliegen würden – für uns fühlten sich diese vierzehn Tage an wie eine Ewigkeit. Als schließlich der Anruf kam, hieß es nur: Man habe etwas gefunden, Näheres könne man uns jedoch erst in zwei Monaten bei einem Termin erläutern. Am Telefon durfte man uns keine Informationen geben. Dieser Moment war ein Schlag ins Gesicht – unvorstellbar. Ich nahm sofort Kontakt zur leitenden Oberärztin der Genetik auf und bestand auf einem zeitnahen Gespräch. Drei Tage später saßen wir schließlich in ihrem Büro – und dort erfuhren wir die Wahrheit: Unsere Tochter leidet an einem extrem seltenen Gendefekt, der weltweit gerade einmal vierzehn Mal dokumentiert ist. Eine Krankheit ohne richtigen Namen, beschrieben lediglich als 5q14.3-Mikrodeletionssyndrom. In einer einzigen Studie, die es zu diesem Syndrom gibt, ist die Rede von Epilepsien, Spidersyndrom, Druck im Kopf, Entwicklungsstörungen in Sprache, Motorik und Gestik sowie unterschiedlichen Formen der Behinderung. Wir hörten zu, fassungslos, hilflos – und doch entschlossen, Ida auf diesem Weg zu begleiten, egal wohin er uns führen würde.

Der BUNTE KREIS – unsere Begleiter

In einer Zeit, in der unsere Welt plötzlich stillstand und alles nur noch aus Sorgen, Krankenhausfluren und Arztgesprächen bestand, traten Menschen in unser Leben, die wir bis dahin nicht kannten – und die uns doch so vertraut vorkamen. Es waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BUNTEN KRIESES Aachen. Der Anlass, dass der BUNTE KREIS uns von Anfang an begleitete, war Ida und all die Herausforderungen, die mit ihrer Krankheit verbunden waren. Aber sehr schnell merkten wir, dass es mehr war: Es sind einfach wundervolle Menschen, die dort arbeiten. Menschen, die mit Herz und Hingabe Familien unterstützen, die mit schwer kranken Kindern leben müssen. Sie zeigten uns, was wir beachten müssen, welche Anträge wir stellen können, wo wir uns weitere Hilfe holen dürfen. Sie waren da, wenn der Papierkram uns zu erdrücken drohte oder wenn wir nicht mehr wussten, wie es weitergehen soll. Aber manchmal war es gar nicht die praktische Hilfe, die am meisten zählte. Manchmal reichte es, dass jemand einfach nur zuhörte. Jemand, der nicht bewertete, nicht drängte, sondern uns in unserer Verzweiflung ernst nahm. Der BUNTE KREIS gab uns ein Stück Sicherheit zurück. Sie gaben uns das Gefühl, nicht allein durch diesen Sturm gehen zu müssen. Und sie gaben uns Hoffnung, dass wir lernen können, mit all dem umzugehen – Schritt für Schritt, in unserem eigenen Tempo.

Wie wir vom BUNTEN KREIS erfuhren

Erst als uns die Ärzte erklärten, welche Krankheit Ida hat, erfuhren wir auch vom BUNTE KREIS. Bis dahin wussten wir nicht, dass es so eine Hilfe überhaupt gibt. Inmitten all der Diagnosen, all der Ängste und Fragen, fiel dieser Name wie ein kleiner Lichtstrahl in die Dunkelheit: „Sie sind nicht allein. Sie können sich Unterstützung beim BUNTEN KREIS Aachen holen.“ Das Universitätsklinikum arbeitet eng mit dem Bunten Kreis zusammen, und so wurde der Kontakt für uns hergestellt. In diesem Moment fühlte es sich an, als würde uns jemand die Hand reichen. Nach all den Tagen voller Unsicherheit und Hilflosigkeit war es ein erstes Zeichen dafür, dass es Wege gibt, nicht alles allein tragen zu müssen. Wir verstanden, dass es Menschen gibt, die uns begleiten werden – nicht nur mit Ratschlägen und Wissen, sondern auch mit Verständnis und offenen Ohren. Und dieses Wissen veränderte vieles. Es war der Anfang einer Verbindung, die bis heute anhält.

Ein Engel ohne Flügel

Unser erstes Gespräch mit dem Bunten Kreis fand im Krankenhaus statt. Vanessa saß noch an Idas Seite, als Frau Jacobi das Zimmer betrat. Schon beim ersten Augenblick spürten wir, dass da jemand kam, der uns verstand – ohne viele Worte, ohne Erklärungen. Frau Jacobi nahm sich Zeit, hörte zu und war einfach da. Sie erklärte uns ruhig und verständlich, wie der BUNTE KREIS Familien unterstützt, welche Schritte möglich sind und wo wir Hilfe beantragen können. Aber noch wichtiger war: Sie schenkte uns das Gefühl, nicht mehr allein kämpfen zu müssen. Manchmal begegnet man im Leben Menschen, die sofort einen Platz im Herzen finden – ohne dass man es erklären kann. Genau so war es mit Frau Jacobi. Für uns ist sie wie ein Engel ohne Flügel. Ein Mensch, der uns bis heute begleitet und der in unserer Geschichte einen besonderen Platz hat – für immer.

Hilfe in allen Angelegenheiten

Es war eine große Erleichterung, dass es Frau Jacobi und den Bunten Kreis gab. In einer Zeit, in der wir selbst kaum wussten, wo oben und unten ist, standen sie uns mit Rat und Tat zur Seite. Sie hatten in allen Angelegenheiten ein offenes Ohr – egal ob es unsere Sorgen, unsere Fragen oder einfach unsere Erschöpfung war. Und sie unterstützten uns dort, wo wir allein kaum durchgesehen hätten: bei den vielen Anträgen, den Formularen der Ämter, den Schreiben der Krankenkasse und den Abstimmungen mit den Kliniken. Ohne diese Hilfe wären wir oft überfordert gewesen. Aber so hatten wir jemanden an unserer Seite, der den Weg kannte, uns führte und uns Sicherheit gab. Das machte vieles leichter – und vor allem machte es Mut.

Eine Herzensangelegenheit

Heute engagieren wir uns selbst für den BUNTEN KREIS. Denn wir wissen, wie wichtig diese Unterstützung ist – und wie viel sie bedeuten kann, wenn eine Familie plötzlich mit einem Schicksalsschlag konfrontiert wird, den man sich nie vorstellen konnte. Wir möchten, dass auch andere Eltern diese Hilfe erfahren. Dass sie Menschen an ihrer Seite haben, die zuhören, begleiten und den Weg ein Stück leichter machen. Solche Vereine brauchen unsere Unterstützung – mit Spenden, mit Engagement, manchmal auch einfach nur mit einem offenen Herzen. Und wenn es nur ein einziger Euro ist, kann er doch helfen, das Licht für eine Familie heller scheinen zu lassen. Für uns ist dieses Engagement ein Stück Dankbarkeit, die wir zurückgeben wollen. Dankbarkeit an den Bunten Kreis – und ganz besonders an Frau Jacobi, die für uns mehr als nur eine Begleiterin war. Sie ist und bleibt ein Engel ohne Flügel, der in unserem Herzen für immer einen Platz hat. Dieses Kapitel unserer Geschichte ist für uns deshalb nicht nur ein Rückblick, sondern ein Versprechen: weiterzugeben, was wir selbst erfahren durften. Aus Dankbarkeit wurde eine Herzensangelegenheit.